Meine 5 wichtigsten Erkenntnisse

In den letzten Jahren konnte ich einige Erkenntnisse sammeln, die mir auf meinem Weg aus der Essstörung immens geholfen haben. Die wichtigsten habe ich in diesem Post zusammengefasst:

1. Gedanken können dir nicht wehtun, außer, du lässt es zu. Es sind "nur" Gedanken. Sie entsprechen nicht immer der Realität. Wir können vielleicht nicht immer kontrollieren, was genau wir denken, doch wir haben die Macht, uns zu entscheiden, welchen Gedanken wir Glauben schenken wollen und welchen nicht.
Ein Beispiel: Ich stehe vor dem Spiegel und denke "Ich bin zu dick". Im ersten Moment schenke ich diesem Gedanken Glauben, suche nach Argumenten, die diesen Gedanken befürworten. Doch wenig später blicke ich rational auf die Situation: es ist die Essstörung, die mir genau das einreden will und daher auch meine Sicht etwas verzerrt (Körperschemastörung). Solange ich laut Arzt noch untergewichtig bin bzw. mein Gewicht im Normalbereich liegt, kann ich nicht dick sein. Die Krankheit versucht einfach nur wieder, mich runterzureißen und zum abnehmen zu bewegen. Möchte ich das? Nein! Der Gedanke ist eine Lüge, er entspricht nicht der Wahrheit. Deswegen sollte ich auch nicht weiter an ihm festhalten.
Genauso gut hätte ich aber auch auf den Gedanken eingehen können. Hätte ich ihm geglaubt, wäre ich den ganzen Tag lang mies gelaunt gewesen, hätte mein Essen wahrscheinlich reduziert oder mehr Sport gemacht. Ich hätte mir eingebildet, dass meine Hüften ausladender geworden sind, mein Gesicht fülliger wirkt und meine Sachen enger sind. Aber nichts von dem ist wahr. Es ist NUR ein Gedanke.
Klar ist es nicht so einfach wie es hier dargestellt ist, aber je öfter man sich vor Augen hält, dass es ja "nur" Gedanken sind, desto besser lernt man mit ihnen umzugehen.


2. "Things tend to scream when they get killed" - das Zitat ist von Amalie's Blog "Let's Recover" und ich sage es mir immer wieder, wenn ich extrem schlechte Phasen durchmache. Dann erinnert mich dieser Spruch daran, dass diese negativen Gedanken aufkommen, weil ich höchstwahrscheinlich etwas getan habe, dass die Essstörung schwächer werden lässt. So paradox es auch klingen mag, aber wenn man sich schlecht fühlt, weil man z.B. ein "Fear Food" oder ähnliches gegessen hat, dann hat man ja eigentlich alles richtig getan, auch wenn man jetzt vielleicht schuldig fühlt. Diese Schuldgefühle sind ein Beweis dafür, dass man GEGEN die Krankheit vorgegangen ist und etwas FÜR seine Gesundheit getan hat!

3. Ich allein bin verantwortlich für meine Genesung - kein anderer kann für mich "gesund werden". Ich wünschte, ich hätte das schon viel viel eher realisiert. Im Prinzip ist es eigentlich offensichtlich, dass nur man selbst für seine Gesundheit etwas tun kann. Natürlich kann man auch die Hilfe eines Arztes oder Therapeuten in Anspruch nehmen, doch deren Hilfe wird nur Früchte tragen, wenn man aktiv mit ihnen zusammenarbeitet und deren Ratschläge umsetzt. Essen muss man selber. Zunehmen muss man auch selbst erledigen. Ängste können auch nur von einem selbst überwunden werden. Diese Arbeit kann kein Arzt der Welt für einen übernehmen.

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4. Es gibt keinen "leichten" Weg. Manchmal muss man einfach ins kalte Wasser springen. In unserer heutigen, modernen Welt scheint es für jedes Problem ein Wundermittel oder eine Abkürzung zum Ziel zu geben. So aber nicht im Fall einer Essstörung. Es gibt nicht DIE eine Methode, mit der man es schmerzlos und schnell aus der Krankheit schafft. Es führt kein Umweg darum, seinen Ängsten ins Gesicht zu blicken. Man muss wortwörtlich in den sauren Apfel beißen, um gesund werden zu können. Aber genau diese Dinge im Leben, die viel Überwindung und harte Arbeit kosten, sind es am Ende am meisten wert.
Es hilft nicht, ewig nach einer "perfekten" Lösung für sein Problem zu suchen. Es gibt keinen "quick fix". Man muss manchmal "einfach" machen - obwohl es echt nicht einfach ist. Aber je eher man sich den schweren Aufgaben stellt, desto eher hat man sie auch hinter sich.

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5. Ich bin nicht meine Essstörung. Auch wenn man an einer Essstörung erkrankt ist, heißt das noch lange nicht, dass man diese Krankheit auch ist. Was die Essstörung will unterscheidet sich klar von der gesunden Seite in einem selbst. Ich stelle mir es gerne so vor, dass die Krankheit ein ungebetener Gast in meinem Kopf ist, der sich aber gerne als ich ausgibt. Es ist halt ein bisschen zweigeteilt: da gibt es die gesunde und die kranke Seite. Mal ist die eine Seite stärker, mal ist sie schwächer. Das Gute ist aber, dass man die kranke Seite loswerden kann, wenn man sich aktiv für die gesunde entscheidet.
Wenn man also z.B. denkt "Ich habe heute zu viel gegessen", dann ist das die Essstörung, nicht man selbst! Mit der Zeit lernt man, diese beiden Seiten zu unterscheiden. Es ist echt nicht immer leicht, deswegen ist es auch immens wichtig, ehrlich mit sich selbst zu sein.
Ich will in Wahrheit gar nicht hungern, abnehmen oder mich isolieren. Das will alles die Krankheit, nicht ich selbst. Ich will leben, lachen und genießen. Und das geht nur ohne Essstörung.


Ich könnte wahrscheinlich noch hunderte weitere Erkenntnisse aufschreiben, aber diese sollen fürs erste genügen. Lasst mich wissen, was eure wichtigsten Erkenntnisse sind! Ich hoffe, dass der Post euch helfen und inspirieren kann.

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