Meine Erfahrungen mit Therapie

Eine therapeutische Begleitung wird bei psychischen Krankheiten immer empfohlen - aus gutem Grund. In der Therapie kann man über alles reden, was einem auf dem Herzen liegt und zusammen mit dem ihr/ihr arbeitet man an seinen Gedanken und seinem Verhalten. Bedingt durch meine Erkrankung hatte ich schon mehrmals eine Psychotherapie in Anspruch genommen und möchte euch mal meine Erfahrungen damit teilen.
2014 entschloss ich mich, nach mehr als einem Jahr Essstörung, eine Therapie zu machen. Die Suche nach einem passenden Therapeuten war alles andere als einfach. Viele sind leider nicht auf Essstörungen ausgelegt bzw. wollten viele mich damals gar nicht therapieren, da ich noch im Untergewicht war. Mehrere Male erhielt ich also Absagen und wurde immer unmotivierter, was das anging. Eine Klinik kam für mich nicht in Frage, auch wenn mir das immer wieder empfohlen wurde. Nach langem Suchen hat meine Mutter dann endlich jemanden kontaktieren können, die mich als Patientin behandeln würde. Die Therapeutin war allerdings mehr oder weniger eine "Notlösung", da sie normalerweise keine Essstörungen behandelt. Doch zu dem damaligen Zeitpunkt war mir das erstmal egal - jede Hilfe wurde dankend von mir und meiner Familie angenommen.

Anfangs war es noch recht ungewohnt für mich, zur Therapie zu gehen, doch man gewöhnt sich schnell daran. Auch wenn ich mich gut mit der Therapeutin verstanden habe, wurde mir bald klar, dass sie mir nicht helfen konnte. In den Sprechstunden haben wir eigentlich nur über die Klinik geredet, nie so wirklich über meine Gedanken oder Probleme. Sie war extrem auf mein Gewicht fixiert und hat mir immer nur ans Herz gelegt, dass ich zunehmen müsse, um überhaupt mit ihr richtig arbeiten zu können. Mir war und ist bewusst, dass ein gesundes Gewicht extrem wichtig für die psychische und physische Gesundheit ist, aber statt mir mit der Zunahme zu helfen, hat sie mich nur unter Druck damit gesetzt. Gesundheitlich ging es also kaum voran und mich haben die Besuche bei ihr mehr gestresst als dass sie mir geholfen haben, bis wir schließlich nach ca. einem halben Jahr einen Schlussstrich ziehen mussten. Sie wollte nicht mehr die Verantwortung für mich übernehmen, selbst als es mit meinem Gewicht nach oben ging, und wir haben die Therapie abgebrochen - ohne wirklich Fortschritte gemacht zu haben. Trotzdem bin ich ihr im Nachhinein dankbar, dass sie mich überhaupt als Patientin angenommen hat und ihr bestes tat, um mir zu helfen.

Daraufhin habe ich eine neue Therapie angefangen bei einer eher "alternativ veranlagten" Therapeutin. Was mich dabei sehr belastet hat war, dass man für jede Sitzung Geld privat zahlen musste, da die Krankenkasse diese Art der Therapie nicht unterstützt hat. Schuldgefühle kamen deswegen bei mir auf, doch meine Eltern versicherten mir jedes Mal erneut, dass das für sie okay sei - immerhin geht es um meine Gesundheit und da ist Geld zweitrangig. Ich wurde schnell von der Therapeutin aufgenommen und sie konnte mir anfangs sehr helfen. Zwar war ich noch etwas verschlossen, doch sie hatte irgendwie die Fähigkeit, hinter meine Worte und mein gesagtes zu blicken. Manchmal ließ sie mich sogar Texte schreiben, aus denen sie dann meine Bedenken und tiefen Sorgen herauslesen konnte - sie hat meine Liebe zum schreiben erkannt, doch es hat lange gedauert, bis ich dann so mit dem schreiben angefangen habe, wie ich es jetzt tue. Als ich dann wieder zur Schule ging, mit dem Stress überfordert war, erlitt ich einen heftigen Rückfall. Zu der Zeit haben wir uns auch seltener gesehen, weil ich aufgrund der Schule weniger Zeit hatte, und ich verschloss mich ihr gegenüber immer mehr. Am Ende hat es gar nicht mehr mit ihr funktioniert; es ging in den Sprechstunden nur um Schuldzuweisungen, dass ich alles kaputt mache; ich verlor komplett das Vertrauen zu ihr und bin nach den Sitzungen teilweise in Tränen ausgebrochen. Somit habe ich die Therapie abgebrochen und mich auf die Suche nach einem neuen Therapeuten gemacht.

Danach folgte eine viel zu lange Phase bestehend aus unzähligen Anrufen, Vorstellungsgesprächen und Enttäuschungen. Meine Mutter hat mir zu Liebe gefühlt jeden Therapeuten in unserer Stadt angerufen und um Hilfe gebeten, doch die meisten lehnten mich aufgrund meiner körperlichen Verfassung ab. Immer wurde uns die Klinik ans Herz gelegt, doch das kam einfach nicht in Frage für mich. Ich war bei ein paar Vorstellungsgesprächen, aus denen jedoch nichts geworden ist. Die erste Therapeutin klang sehr vielversprechend und wollte mich erst auch als Patientin aufnehmen, doch leider war es ihr "zu heikel" mit mir. Bei einer anderen, die auch privat bezahlt werden müsste, war die Enttäuschung immens groß. Meine Mutter kam mit zu dem Gespräch und sie war am Ende enttäuschter als ich - die Therapeutin hat uns leicht "für dumm verkauft", hat uns mehr runtergerissen als geholfen und wollte am Ende für dieses katastrophale Gespräch auch noch Geld von uns haben... Großer Daumen nach unten. Nach einigen Monaten Wartezeit und einer besseren körperlichen Verfassung wurde ich dann von einer anderen Therapeutin zum Gespräch eingeladen. Ich hatte mir viel von ihr erhofft, da ich schon eine Weile auf ihrer Warteliste stand, doch das Gespräch mit ihr lief wieder nur darauf hinaus, dass ich in eine Klinik gehen sollte und sie mir nicht helfen kann. Ab dann hatte ich erstmal die Schnauze voll von Therapeuten.

Ca. ein halbes Jahr später habe ich dann eine erneute Chance bei einer wieder anderen Therapeutin bekommen. Ich bin mehrere Male zum "kennenlernen" in ihre Praxis gegangen. Mit ihr kam ich allerdings gar nicht zurecht. Bei jedem Besuch in hatte ich das Gefühl, mich vom neuen vorzustellen. Sie hatte andere Ansichten als ich, was einzelne Themen anging. Außerdem sollte ich einen Esstagebuch führen, damit sie sich ein besseres Bild von mir machen kann - zu einer Zeit, wo ich bewusst viel weniger als sonst gegessen habe. Sie meinte nur, dass ich mehr als genug esse. Man kann sich vorstellen, wie verärgert und gleichzeitig auch wütend ich war, wenn sie mein restriktives Verhalten als "vollkommen in Ordnung" einstuft. Aus Verzweiflung hätte ich beinahe einer Therapie mit ihr zugesagt - sie wäre die erste nach langer Zeit gewesen, die dazu bereit gewesen wäre - doch im Nachhinein bin ich extrem froh, dass ich das nicht getan habe. Die Chemie zwischen uns hat alles andere als gut funktioniert.

Wie sich jetzt herausstellte, war es auch die richtige Entscheidung, geduldig zu bleiben und weiterhin die Hoffnung zu behalten, dass ich einen Therapeuten finden würde. Ein halbes Jahr später habe ich meine jetzige Therapeutin kennengelernt. Es ist nicht immer einfach mit ihr, doch sie gibt mir genau die Art von Unterstützung, die ich brauche, wofür ich unendlich dankbar bin. Wir reden über meine Ängste, arbeiten aktiv daran, sie zu bekämpfen, setzen neue Ziele, hinterfragen bestimmte Gedanken und Verhaltensweisen. Bei ihr fühle ich mich gut aufgehoben und sie nimmt mich auch wirklich ernst. Sie ist ein echter Glücksgriff und ich weiß, dass sie mich weiterhin gut unterstützen und begleiten wird.

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Der Post sollte dazu dienen zu zeigen, dass es sowohl nicht einfach ist, einen Therapeuten zu finden, so wie auch, dass die Suche mit vielen Enttäuschungen verbunden sein kann. Teilweise finde ich es echt krass, wie lange man auf einen Therapieplatz warten muss und wie mit Essgestörten umgegangen wird - es kommt mir so vor, als würde diese Krankheit sehr ungern behandelt werden, als würde es sich keiner zutrauen, an Essstörung Erkrankte zu betreuen. Vielleicht sehe aber auch nur ich das so. Hat man aber einen passenden Therapeuten gefunden, kann einem dieser wirklich sehr bei dem Kampf gegen die Krankheit helfen. Aber man sollte auch nicht vergessen, dass einem der Therapeut nicht die Arbeit abnehmen kann - man muss schon selbst an sich arbeiten und seinen Ängsten in die Augen blicken. Das kann einem keiner abnehmen. Man muss glaube selbst die Erfahrung machen und sehen, ob einem eine Therapie hilft oder nicht. Ich würde es auf jeden Fall jedem Betroffenen ans Herz legen, eine Therapie zumindest mal auszuprobieren, bevor man voreilige Schlüsse zieht und meint, sie würde nicht helfen. Wenn jemand ähnliche Erfahrungen gemacht hat, kann er oder sie es mich gerne wissen lassen!

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