Vor über einem halben Jahr habe ich mich entschlossen, mich vegan zu ernähren. Das war kein leichter Schritt für mich, wenn man bedenkt, dass ich mit einer Essstörung zu kämpfen habe. Vor allem meine Eltern hatten Bedenken, dass ich gar nichts mehr essen könnte, wenn ich meine Ernährung so sehr umstelle. Immerhin war ich jahrelang Fleischesser mit Leib und Seele - ein Tag ohne Fleisch, Fisch oder Meeresfrüchte gab es bei mir nie, und mit nie meine ich auch wirklich NIE. Wenn wir im Restaurant essen waren, habe ich mir am liebsten ein Steak oder Garnelen ohne jegliche Beilagen bestellt... Jetzt im Nachhinein ist mir dieser Gedanke sehr unangenehm. Ich hatte Vegetarier immer ausgelacht und konnte mir ein Leben ohne Fleisch und Tierprodukte überhaupt nicht vorstellen. Vor ein paar Jahren konnte ich mit dem Begriff "Veganismus" noch gar nichts anfangen - ich dachte, Veganer wären ganz krasse Ökos, die nur Zeug aßen, was selbst vom Baum gefallen ist (weil man das Obst durch das pflücken ja theoretisch "töten" könnte...). Von dem, was in Schlachthäusern abging, wollte ich auch nichts wissen. Ich war total abhängig von tierischen Produkten, ob es nun ums Essen ging, um Kleidung oder um Kosmetik. Kein Wunder, das mein Umfeld ziemlich erstaunt auf meinen Entschluss reagierte, vegan zu werden.
Woher kam mein Sinneswandel? Nun ja, mehr oder weniger durch die sozialen Medien. Veganismus wurde immer mehr zum Trend und man konnte sich einfach nicht mehr davor verstecken. So kam es, dass ich mir Gary Yourofskys "Best Speech Ever" angeguckt habe, ohne über die späteren Konsequenzen meines Vorhabens nachzudenken. Ich hätte nie gedacht, dass mich seine Rede so sehr mitnehmen würde - ich dachte immer, ich wüsste bestens Bescheid darüber, was in der Fleisch-, Milch- und Eierindustrie so vor sich geht. Ich lag so was von falsch. Vor allem die Szenen aus der Milchindustrie haben mich geschockt, weil ich es unfassbar finde, wie man einer Kuh ihr gerade erst geborenes Kalb wegnehmen kann. Vielleicht hat mich grade das so geschockt, weil ich so eine enge Bindung zu meiner Mutter habe und ich es mir nicht vorstellen wollte, wie man mich meiner Mutter wegnimmt. Jedenfalls habe ich dann meine Ernährung nach und nach umgestellt, was meine Eltern nicht so lustig fanden, denn vegetarische oder vegane Lebensmittel haben oft weniger Kalorien und nicht genug Mineralstoffe und Vitamine (was so gar nicht stimmt, wie ich später erfahren habe). Somit bin ich erstmal nur Vegetarierin geworden für ein Jahr lang, bevor ich den Umstieg auf vegan gewagt habe.
In diesem Jahr des Umstieg hatte ich Phasen, in denen mich das Thema Veganismus kaum interessiert hat - viel mehr nutzte ich meinen Vegetarismus oft dazu aus, weniger zu essen, wofür ich mich jetzt im Nachhinein sehr schäme. Als ich mich in der 11. Klasse für ein Thema für meine Facharbeit entscheiden musste, schwirrte mir das Thema Veganismus die ganze Zeit im Kopf. Es war eine perfekte Gelegenheit, um mehr darüber zu erfahren und gleichzeitig etwas Sinnvolles für die Schule zu tun. Komischerweise war meine Biologielehrerin überhaupt nicht begeistert von diesem Thema (sie meinte, ich sollte mich mit Essstörungen beschäftigen, wenn ich schon was mit Ernährung machen wollte...), weswegen ich sie dann Englisch schrieb - komische Kombination, doch es war zum Glück möglich. Da ich mir durch die ganzen Recherchen für die Facharbeit sehr viel neues Wissen aneignen konnte, wurde mein Wunsch, vegan zu werden, immer größer und stärker. Bloß hatte ich zu dieser Zeit gerade einen Rückfall und ich konnte meine Eltern so gar nicht von meinem Wunsch überzeugen, weswegen ich mit dem Umstieg noch warten musste. In der Zwischenzeit habe ich mich dafür mehr über vegane Kosmetik und Kleidung informiert und in diesen Bereichen auf pflanzliche Alternativen geachtet (natürlich mache ich das heute noch, so gut es geht).
Mit der Zeit konnte ich dann aber so gut wie alle Lebensmittel durch vegane ersetzen - bis auf mein tägliches Fresubin, was ich damals dringend gebraucht hatte. Wie sollte man 400 lebenswichtige Kalorien ersetzen? Nach reichlichen Überlegungen und Diskussionen haben mir meine Eltern einen Mixer gekauft, mit dem ich mir selber vegane Shakes und Smoothies zubereiten konnte, womit ich nun auch kein Fresubin mehr trinken musste und mich endlich vegan ernähren konnte!
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Bye bye, Fresubin! |
Mein Umstieg fiel mir zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht schwer. Lediglich die Vorteile der veganen Ernährung machten sich so langsam bei mir bemerkbar: bessere Haut, mehr Energie, bessere Laune und - bei weitem der für mich GRÖßTE Vorteil der veganen Ernährung - die beste Verdauung, die ich jemals hatte. Jahrelang habe ich mit den übelsten Blähungen und Verstopfungen zu tun gehabt, doch das hat sich durch den Umstieg immens verbessert! Blähungen habe ich immer noch, aber nicht so schlimm wie als ich omnivor war. Ich glaube, dass mich vor allem die Milchprodukte sehr aufgebläht hatten, obwohl ich gar keine Laktoseintoleranz hatte bzw. habe. Und Verstopfungen habe ich eigentlich gar nicht mehr seit dem Umstieg. Wer also Probleme mit der Verdauung hat, dem kann ich die vegane Ernährung wärmstens empfehlen!
Die anfänglichen Bedenken meiner Eltern waren wie weggeblasen als sie gesehen haben, wie gut es mir mit der veganen Ernährung ging. Das zunehmen klappte auch, was ja die meisten bezweifelten. Es gibt genug kalorienreiche, gesunde und vegane Lebensmittel, die bei einer Gewichtszunahme helfen können. Außerdem half mir der Gedanke, dass man durch den Veganismus auch etwas Gutes tut für die Umwelt und die Tiere. Das hat mir das Essen um einiges erleichtert und ich konnte mir mehr erlauben, weil ich Essen nicht mehr mit etwas schlechtem verbunden habe. Ich konnte mich endlich wieder an Dinge rantrauen, die ich mir jahrelang verboten habe. Zum Beispiel habe ich nach 2 Jahren wieder Schokolade probiert, einfach nur weil ich wissen wollte, wie vegane Schoki schmeckt. Ich bin viel offener für neue Gerichte geworden und das nur, weil ich alle veganen Alternativen ausprobieren wollte. Mein Blutbild war übrigens auch völlig in Ordnung. Alles in allem ging es mir nach dem Umstieg so gut wie noch nie, wobei ich natürlich auch einen Teil meiner guten Laune Recovery zu verdanken habe. Mittlerweile hat sich die anfängliche Begeisterung und das Hochgefühl auch wieder etwas gelegt, doch ich stehe natürlich immer noch hinter dem Veganismus.
Gab es denn irgendwelche Nachteile der veganen Ernährung, die ich bemerkt habe? Ein paar. Zum einen tendiere ich etwas zu einer "zu gesunden" Ernährung, das heißt also, dass ich Phasen habe, in denen ich mir nur kaum verarbeitete Lebensmittel genehmige und sehr darauf achte, dass ich jeden Tag so und soviel Grünzeug, so und soviel Beeren und schön viele Superfoods zu mir nehme. Zwar esse ich genug, aber einfach viel zu gesund und einseitig. Durch diese Einstellung kommen noch mehr Fear Foods auf meine Rote Liste hinzu. In diesen Phasen habe ich dann auch vermehrt mit Blähungen zu kämpfen und unterteile Lebensmittel ganz strikt in gesund und ungesund. Auch habe ich ein Problem mit Fett bekommen, da ich von der High-Carb-Ernährung sehr angetan war. Diese "Nebenwirkungen" habe ich aber eher der Gesellschaft und den Medien zu verdanken, weniger dem Veganismus wie ich finde. Zum anderen habe ich manchmal das Gefühl, mir zu viel zu verbieten. Leider gibt es bisher nicht für alle Lebensmittel eine vegane Alternative und ich muss zu vielem "nein" sagen. Durch die Magersucht habe ich nun schon wenige "Safe Foods" und die Menge an diesen ist mit dem Veganismus noch ein Stückchen kleiner geworden. Mein größtes Problem war anfangs zum Beispiel, dass ich kein Ben & Jerry's mehr essen konnte - mein allerliebstes Lieblingseis. Mittlerweile kann ich ganz gut ohne das Eis leben und zum Glück soll es ja bald veganes Ben & Jerry's in Deutschland geben. Außerdem hasse ich es auch, dass man sofort dieses Label als "Veganer" aufgedrückt bekommt. Es ist zwar besser als immer nur "die Kranke", "die Magersüchtige" oder "die Verrückte" zu sein, doch ich möchte einfach nicht darüber definiert werden, was ich esse und wie ich mich ernähre. Es macht mir oft zu schaffen, vor allem wenn ich mir dann noch blöde Kommentare und Veganer-Witze von voreingenommenen Leuten anhören muss.
Manchmal habe ich zwar Zweifel, ob es die beste Entscheidung gewesen war, während meiner Recovery auf vegan umzustellen. Auf der anderen Seite hingegen bin ich mehr als froh, nicht länger mit dem Umstieg gewartet zu haben und dass ich nun all die Vorteile des Umstiegs genießen kann. Ich hoffe, dass der Veganismus nicht nur Trend bleibt. Es wäre schön mitzuerleben, wie immer mehr Menschen vegan werden, wie es immer mehr vegane Produkte in den Läden gibt und wie immer weniger Tiere leiden müssen. Mich freut es sehr, wenn Leute aus meinem Umfeld auf das Thema aufmerksam werden, vegane Gerichte probieren und immer offener dafür werden. Und zum Glück sieht es im Moment so aus, als würde die Menschheit immer offener für den Veganismus werden.
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