Essen ist Medizin

Ich weiß noch, wie ich mir am Anfang meiner Genesung so viele Gedanken darum gemacht habe, wieviel man essen sollte, um gesund zu werden. Täglich gingen mehrere Stunden dafür drauf, im Internet zu recherchieren, was eine angemessene Menge zum "recovern" ist: von Empfehlungen mit 1500-5000 Kalorien pro Tag habe ich alles gelesen.

Verwirrung kam auf bei all den vielen und auch so unterschiedlichen Angaben darüber, wieviele Kalorien zum zunehmen nun ausreichend wären. Weder zu viel noch zu wenig sollte es sein. Meist haben mich aber all die verschiedenen Theorien eher davon abgehalten, überhaupt etwas an meinem Essverhalten zu verändern. Ich wollte eine "perfekte" Genesung und dachte, ich müsste erst einmal den "perfekten" Weg zum gesund werden herausfinden, bevor ich mit der Heilung überhaupt beginnen darf.

Einer Sache war ich mir allerdings schon immer sehr sicher: man brauchte eine Menge an Essen, um wieder zurück zu Gesundheit, Freiheit und LEBEN zu kommen.

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In gewisser Weise ist Essen Medizin, vor allem für jemandem mit Essstörung. Jede Kalorie, jedes Protein, jeder Zucker, jedes Fett aber genauso auch jeder Mineralstoff und jedes Vitamin werden dafür genutzt, um den Körper wieder gesund zu machen. Essen bedeutet Energie - Energie, die der Körper braucht, um sich selbst zu heilen. Eben nicht nur zum zunehmen, sondern auch um den Hormonhaushalt wiederherzustellen, alle Organe wieder zu versorgen, Haare und Haut wieder zum strahlen zu bringen so wie auch um alle auftretenden Schäden wieder zu beseitigen (wie im meinem Falle zum Beispiel die verminderte Knochenmasse als Folge der jahrelangen Restriktion und dem Untergewicht). Eine Essstörung kommt selten allein: sie wirkt sich nicht nur auf das Gewicht aus, sondern schädigt den ganzen Körper des Erkrankten.

Wer von seiner Essstörung heilen möchte, muss viel essen und zunehmen. Punkt. Es gibt keinen anderen (oder einfacheren) Weg dran vorbei. Essen ist eben nicht nur nötig, um wieder zu Normalgewicht zurückzugelangen, sondern auch um all die durch die Restriktion verursachten Schäden zu reparieren. Wenig essen ist, was dich krank gemacht hat. Viel und ausreichend zu essen ist, was dich gesund machen wird. Es ist deine Medizin.

Auch vom psychischen her ist es unabdingbar, ohne Regeln oder Restriktion zu essen. Man muss sich der Angst stellen, um sie zu überwinden: kalorienreiches Essen, Fear Foods, Kohlenhydrate, Fette, Öle, Salz, Süßes, "Ungesundes" und, und, und. Du kannst nicht erwarten, zu Freiheit zu gelangen, während du dich immer noch an all diese essgestörten Regeln hältst.


Darüber hinaus hilft dir eine ausreichende Menge an Essen (und damit an Energie) dabei, klarer zu denken. Am Tiefpunkt meiner Essstörung 2015/2016 war ich von den schlimmsten Ängsten und Depressionen geplagt, die ich je erlebt hatte. Was mir Besserung verschafft hat? ESSEN. Ich aß mehr und die Ängste wurden geringer. Sie sind noch da, aber nicht mehr so extrem wie damals, als ich sie täglich intensiv zu spüren bekam. Aber auch jetzt merke ich, dass ich allgemein viel rationaler denken, mich besser konzentrieren kann und dass meine Laune auch um einiges besser und stabiler ist. Und ich bin schon gespannt darauf, wie gut ich mich fühlen werde, wenn sich mein Körper wieder auf einem gesunden Gewicht eingependelt haben wird. Denn bei einem gesunden Gewicht funktioniert alles einfach viel besser im Körper und in der Psyche.

Das Ding bei der ganzen Sache ist halt, dass man Angst hat, "zu viel" zu essen und bis ins Unendliche zuzunehmen. Doch wer sagt, dass das auch so kommen wird? Und selbst wenn gäbe es auch dafür eine Lösung. Man sollte sich von dieser Angst weder einschüchtern noch aufhalten lassen. Die Alternative wäre, auf ewig mit einer Essstörung zu leben, immer irgendwelche Diäten zu halten und mit den Folgen der Mangelernährung zu leben. Sich der Angst zu stellen, genug zu essen und all diese Regeln in den Wind zu schießen gibt dir die Chance, Heilung zu erfahren. Und der Schmerz des sich-der-Ansgt-stellen ist definitiv kürzer als der Schmerz, der dich erwarten würde, wenn du weiterhin (dein ganzes Leben lang) den Befehlen der Essstörung gehorchen würdest.

Essen ist Medizin. Das einzige, was einen Essgestörten heilen kann, ist Essen. Und je mehr davon, desto besser. (so zumindest meiner Ansicht nach)

P.S.: Wer mehr über dieses Thema wissen will, dem kann ich sehr den tumblr Blog Let's Recover empfehlen (ich hab euch das faq verlinkt, da sind viele Fragen diesbezüglich beantwortet worden)

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