Körperliche Folgeschäden von Magersucht

Es ist kein Geheimnis, dass eine Essstörung viele Folgeschäden mit sich zieht, sowohl körperliche als auch welche, die die Psyche betreffen. Das schlimme dabei ist meiner Meinung nach, dass sich diese Folgeschäden ganz langsam bei dem oder der Betroffenen entwickeln bzw. dass man sie erst viel zu spät bemerkt. Viele dieser Folgeschäden sind wieder rückgängig zu machen, andere wiederum leider nicht und werden die erkrankte Person bis an ihr Lebensende begleiten. Und im schlimmsten Fall führen diese dann auch zum Tod. Essstörungen sind nicht zu unterschätzen! Um dies deutlich zu machen, habe ich in diesem Post verschiedene Folgeschäden und Begleiterscheinungen gesammelt, die bei einer Magersucht auftreten können. Wichtig zu bemerken ist dabei, dass ein paar der aufgeführten Symptome nicht nur durch Untergewicht verursacht werden, sondern schon allein durch die Kalorienrestriktion.
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Der Körper schaltet auf "Sparflamme"

Durch die Kalorienrestriktion und das Untergewicht schaltet der Körper auf "Sparflamme". Somit werden nur bestimmte Organe mit Nährstoffen und Energie versorgt, eben die, die zum Überleben wichtig sind. "Unwichtige" Funktionen werden zurückgeschraubt oder gar eingestellt, beispielsweise die Menstruation bei Frauen. Es treten Durchblutungsstörungen und Blutarmut auf, sodass der Sauerstofftransport im Körper nicht mehr richtig funktioniert. Der Stoffwechsel fährt runter, weswegen man sein Gewicht nur mit einer sehr geringen Anzahl an Kalorien halten kann; das Immunsystem wird geschwächt, weswegen man oft erkältet ist; man ist ständig am frieren, weil der Körper keine Wärme mehr produziert und kein Körperfett zum wärmen vorhanden ist; man hat Probleme sich zu konzentrieren und ist ständig müde. Die Gehirnmasse kann beim hungern auch abnehmen, weil der Körper diese sozusagen "auffrisst", um irgendwie an Energie zu kommen. Es wird einem schwarz vor Augen und man fällt einfach so um. Oder man fühlt sich viel zu schwach, um irgendwas zu machen. Gleichzeitig berichten viele Betroffene, dass sie in den Hungerphasen nur so vor Energie gestrotzt haben - das liegt daran, dass der Körper in "Alarmbereitschaft" ist und er nicht mehr bestimmte Signale wahrnehmen kann, welche darauf hindeuten, dass man eher Energie sparen sollte. Letztlich kann es im schlimmsten Fall zu Organversagen kommen. Das Herz hört auf zu schlagen, denn es bekommt keine Energie mehr und es wurde vom Körper mehr oder weniger "aufgefressen" (das Herz ist ein Muskel, und Muskelmasse kann der Körper auch verwerten um Energie zu gewinnen), da keine Nahrung zugeführt wird. Typisch sind auch Nierenschäden bis hin zu Nierenversagen.

Hormonelle Veränderungen

Da der Körper auf Sparflamme schaltet, werden auch hormonelle Prozesse im Körper heruntergefahren. Vor allem ein verminderter Körperfettanteil trägt dazu bei, denn unser Körperfett hängt eng mit der Hormonproduktion zusammen. Bei Mädchen und Frauen bleibt oft die Periode aus ("Amenorrhoe" genannt), da man zu schwach wäre, um ein Kind auszutragen. Allgemein kann es zu Unfruchtbarkeit oder Fehlgeburten durch die Unterernährung kommen. Bei Männern kommt es zu Potenzstörungen. Zudem verspürt man kaum bis keinen Drang mehr nach sexuellen Aktivitäten, sprich man interessiert sich mehr fürs Essen bzw. nicht essen als für Beziehungen, Liebe und flirten.

Haare, Haut und Nägel

Wer behauptet, dass dünn sein mit Schönheit zusammenhängt liegt ganz klar falsch, denn Untergewicht zieht einige unschöne Folgen mit sich. Die Haare fallen aus und werden trockener; genauso wird auch die Haut trockener, verliert ihren Glanz und man sieht so blass aus wie ein Geist. Ich persönlich bekomme das vor allem an den Händen zu spüren, denn ich habe mit Abstand die trockensten Hände überhaupt. Sehr schlimm wird es im Winter, da reißen sie vor Trockenheit auf, sind ständig am bluten und die Wunden hinterlassen unschöne Narben. Da hilft auch keine Handcreme mehr, um sie von außen mit Feuchtigkeit und Nährstoffen zu versorgen. Ebenso bekommt man Hautschuppen an Stellen, von denen man dachte, dass sich dort nie Schuppen bilden könnten. Die Nägel müssen ebenfalls sehr leiden und werden brüchig. Des Weiteren bildet sich eine Lanugobehaarung auf dem ganzen Körper, vor allem am Rücken und auf den Armen, also ganz viele kleine Härchen, welche entstehen, um den Körper warm zu halten. Schon beim kleinsten Stoß bekommt man blaue Flecken, von denen man meistens gar nicht weiß, wie sie überhaupt entstanden sind. Und es bilden sich tiefe, dunkle Ringe unter den Augen, die nie wegzugehen scheinen und einem ein müdes Aussehen verleihen.

Verdauung und Harndrang

Da Magen und Darm nicht mehr oft mit Lebensmitteln in Kontakt treten, arbeiten sie weniger und "verlernen" regelrecht das Verdauen von Nahrung, was einige Probleme und Beschwerden mit sich zieht. Typisch sind Blähungen, die schon bei kleinsten Mengen an Nahrung auftreten können, sowie ein verkleinerter Magen und Verstopfungen. Letzteres wird vor allem durch den Missbrauch von Abführmitteln begünstigt. Eher unbekannt ist, dass auch die Blase nicht mehr richtig funktioniert. Da der Körper bei Unterernährung Muskeln abbaut, werden auch solche abgebaut, die dafür zuständig sind, die Harnblase und damit den Harndrang zu kontrollieren. Man kann den Urin nicht mehr richtig halten, muss deshalb ständig aufs Klo und verliert ab und zu den ein oder anderen Tropfen Urin, wenn man nicht rechtzeitig eine Toilette auffinden kann.
Zum Thema Verdauung habe ich bereits einen ausführlichen Post geschrieben, in dem ich viele Tipps gebe, wie man die Beschwerden etwas lindern und umgehen kann.

Knochengesundheit

Das ist meiner Meinung nach ein sehr unterschätztes Problem, auf das ich in einem anderen Post nochmal genauer eingehen werde, da ich leider selbst davon betroffen bin. Die Knochenmasse nimmt bei Magersucht ab, denn dem Körper fehlen die nötigen Nährstoffe, um die Knochen gesund zu halten. Der Körper "frisst" die eigenen Knochen u.a. auch selbst auf, um an Energie zu kommen. Die Folge sind Osteopenie, also eine verminderte Knochendichte, oder sogar Osteoporose, dem Knochenschwund. Man bekommt einen krummen Rücken und eine sehr schlechte Haltung, die Knochen können schon bei dem leichtesten Sturz brechen und sogar die Körpergröße nimmt durch die verminderte Knochenmasse ab. Ich habe auch gelesen, dass die Zähne ausfallen könne, da die geschwächten Kieferknochen die Zähne nicht mehr halten können. Begünstigt wird der Abbau von Knochenmasse auch durch das Ausbleiben der Periode bei Frauen, was daran liegt, dass das Hormon Östrogen nicht mehr ausreichend produziert wird, welches eine Rolle beim Knochenstoffwechsel spielt. Deswegen betrifft Osteoporose vor allem ältere Frauen nach der Menopause, eben weil diese kein Östrogen mehr ausreichend produzieren.

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Probleme mit den Ohren

Ich kann es mir nicht ganz erklären, warum es auch zu diesen Problemen kommt, aber durch die Magersucht bekam ich Hörprobleme, um genauer zu sein Tinnitus, was sich zum Glück wieder etwas gebessert hat. Von ein auf den anderen Tag bekam ich dieses Rauschen im Ohr, was partout nicht weggehen wollte. Es fühlte sich an, als hätte ich Wasser im Ohr gehabt, welches aber einfach nicht aus dem Ohr rauskam. Es wurde immer schlimmer, bis ich auf dem einen Ohr gar nichts mehr gehört habe bzw. alles nur noch sehr "robotermäßig" klang. Alles hörte sich wie von Robotern gesprochen an und ich musste gefühlte zehn Mal die Leute darum bitten, ihre Sätze zu wiederholen, um überhaupt etwas zu verstehen. Tabletten, die die Durchblutung fördern, haben mir dabei geholfen, sowie auch weniger Stress und natürlich die Gewichtszunahme und eine ausreichende Nahrungszufuhr. Das war für mich, neben der Osteoporose, die mit Abstand schlimmste Folge der Magersucht, wegen der ich auf gar keinen Fall wieder hungern wollen würde. Einen seiner Sinne zu verlieren ist ein unheimlich schreckliches Gefühl...

Psychische Folgen

Hier möchte ich nicht ganz so weit ausholen, da glaube ich jedem klar ist, dass Essstörungen eine Menge psychischer Probleme mit sich ziehen. Ganz typisch sind Depressionen und Angstzustände, sowie auch ein sehr zwanghaftes Verhalten. Die Gedanken drehen sich hauptsächlich ums essen bzw. nicht essen. Plötzlich sammelt man Rezepte, verbringt Stunden im Supermarkt, guckt sich auf YouTube Videos darüber an, was andere essen, und verbringt Stunden in der Küche, aber nicht um sich selbst etwas zu Kochen, sondern um andere zu bekochen. Des Weiteren nimmt man sich und sein Aussehen sehr verzerrt wahr, was man "Körperschemastörung" nennt. Also man sieht sich im Spiegel meist viel dicker, als man eigentlich ist, was zu der fehlenden Krankheitseinsicht beiträgt, die ebenfalls sehr typisch für Essstörungen ist. Und man isoliert sich total von der Welt draußen und den Menschen, weswegen es zum Verlust sozialer Kontakte kommt.

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Sonstige Beschwerden

Komischerweise bekommt man öfter Nasenbluten - woran das liegt, kann ich mir auch nicht erklären.  Es passiert einfach so, meist nachdem man sich die Nase geputzt hat oder so. Die Stimme klingt sehr gebrochen, so ein bisschen wie als wäre man im Stimmbruch oder als würde das Sprechen unheimlich anstrengen. Der Körper lagert zudem viel mehr Wasser ein, weil er eben an allem festhält, was er kriegen kann, um sich vor weiteren Hungerphasen zu schützen. Beliebte Stellen sind vor allem die Bauchgegend, die Beine und die Fußknöchel. Diese Wasseransammlungen sehen nicht nur unschön aus, sondern können auch Ursache für Schmerzen sein. Allgemein verspürt man ständig Schmerzen am ganzen Körper - Rückenschmerzen, dann Schmerzen vom liegen sowie auch vom sitzen, weil die Knochen so sehr an der Matratze oder am Stuhl reiben. Zu guter letzt wären noch Schlafprobleme zu erwähnen. Man liegt entweder die ganze Nacht wach, hat einen sehr unruhigen Schlaf oder der ganze Schlafrhythmus ist total durcheinander geraten, sodass man nachts hellwach ist, aber tagsüber müde ist und bei jeder Gelegenheit ein Nickerchen hält.


Magersucht ist eine äußerst gefährliche Krankheit, an der leider schon viel zu viele Menschen sterben mussten. Wenn du selber an Magersucht leidest oder ein essgestörtes Verhalten an den Tag legst, dann bitte ich dich, dir Hilfe zu holen und so schnell wie möglich mit dem Hungern aufzuhören. Egal, was dir die Krankheit auch versprechen mag: sie wird dich nicht glücklich machen, sondern dich ins Elend ziehen, dir jegliche Freude und Kraft rauben, die du noch hast. Ziehe den Schlussstrich, sonst ist es vielleicht schon zu spät und dein Körper hat bereits Schaden genommen. Lass es nicht so weit kommen!

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