Sport in Recovery

Sport ist ein ziemlich kontroverses Thema in Recovery. Zwar sollte regelmäßige körperliche Betätigung zu einem gesunden Lifestyle dazugehören, aber bei Essstörung stellt Sport definitiv eine Ausnahme dar. Ein typisches Symptom einer Essstörung ist exzessiver Sport bzw. Bewegungsdrang, um zusätzliche Kalorien zu verbrennen und dadurch das Gewicht unten zu halten. Selbst im tiefsten Untergewicht findet man komischerweise noch Kraft, um Sport zu machen, obwohl kaum Energie vorhanden ist. Das kann aber auch sehr gefährlich werden, in so einem schlechten körperlichen Zustand zusätzlich noch Sport zu treiben, da das Herz, das so schon unterversorgt wird, noch mehr belastet wird.

In Recovery sollte man meiner Meinung nach vorerst auf Sport verzichten, vor allem wenn man noch zunehmen muss. Zum einen deswegen, weil Sport natürlich einer Gewichtszunahme entgegenwirkt. Entweder bewirkt der Sport, dass man noch mehr abnimmt, oder dass man sich durch diesen überhaupt erst erlaubt, mehr zu essen - im Sinne von "Ich habe jetzt x Kalorien mehr gegessen, dafür muss ich y Kilometer mehr laufen, um die wieder abzutrainieren". Es hält einem weiterhin in diesem Mindset, dass man sporteln muss, um essen zu dürfen.

Dazu setzt der Sport, wie oben schon erwähnt, den Körper unter Stress. Selbst wenn man trotz des Sports genug isst und zunimmt, tut dem Körper die übermäßige Bewegung nicht gut, was z.B. an vermehrten Wassereinlagerungen zu erkennen ist. Übermäßige Bewegung kann u.a. auch eine der Gründe dafür sein, dass man seine Periode noch nicht wieder bekommt, obwohl man vielleicht sogar schon längere Zeit Normalgewicht hat. Manchmal wird sogar behauptet (ohne jemanden damit Angst machen zu wollen), dass man durch Sport in Recovery mehr Fett einlagert als wenn man keinen Sport machen würde. Wer dabei befürchtet, nur Fett statt Muskeln zuzunehmen, wenn er auf Sport verzichtet, den kann ich beruhigen: man kann in Recovery auch Muskeln zunehmen ohne zu trainieren ("Muscle Memory Effekt").

Der Hauptgrund, warum ich jedem in Recovery von Sport abraten würde, ist der psychische Aspekt bei der ganzen Sache. Sport kann zur Sucht werden und vor allem Essgestörte sind dafür sehr anfällig. Hat man einen Tag trainiert, will man es den nächsten Tag wieder. Am liebsten gleich ein paar Minuten länger als den Tag zuvor. Und das geht dann immer so weiter, bis sich alles nur noch ums Kalorien verbrennen dreht und man sich ohne den Sport kein Essen mehr erlauben kann. Man mag vielleicht ein "gesundes" Gewicht erreicht haben und nach außen hin gesund wirken - immerhin ist Sport ja gesund für den Körper und kann sich definitiv auch positiv auf die Psyche auswirken - aber dieser ganze Fitnesswahn dient nur dazu, die Essstörung aufrecht zu erhalten, eben halt nur auf eine andere Art und Weise.
Zusammengefasst würde ich jedem dazu raten, in Recovery erstmal eine Pause vom Sport zu nehmen. Sollten Ärzte und Therapeuten damit einverstanden sein, kann man, sobald man ein gesundes Gewicht für längere Zeit gehalten hat, Sport langsam wieder in sein Leben integrieren. Die Betonung liegt hierbei auf LANGSAM. Nichts überstürzen. Sowohl weil man seinen Körper, aber auch weil man die Psyche nicht überfordern will. Und vor allem sollte man auch bedenken, dass mehr Sport oder Bewegung heißt, dass man mehr Energie benötigt und daher auch mehr essen muss. Das wird übrigens auch dabei helfen, Muskeln aufzubauen ;) Behaltet euch im Kopf: "Balance is the key"!

Für mehr Infos zum Thema Sport in Recovery kann ich den tumblr Blog "Let's Recover" empfehlen

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