Vegan in Recovery

Wie du bestimmt schon weißt, wenn du meinen Blog liest, bin ich seit einiger Zeit vegan. Nicht nur in Sachen Ernährung achte ich darauf keine tierischen Produkte zu mir zu nehmen, sondern auch in fast allen anderen Lebensbereichen wie Klamotten, Kosmetik etc. Wer mehr über meine Geschichte zum Thema Veganismus lesen will, kann sich meinen vorherigen Blogpost angucken. In diesem Beitrag möchte ich darauf eingehen, ob es eine gute Idee ist, sich vegan zu ernähren während man in Recovery ist und meine Meinung teilen.

Bei mir war es so, dass ich mich ausgiebig mit dem Thema befasst habe und über alles bestens Bescheid wusste. Es war mein größter Wunsch gewesen, komplett vegan zu werden und Tieren, Umwelt und meiner eigenen Gesundheit durch eine Ernährungsumstellung unter die Arme zu greifen. Da ich aber vor ca. 1,5 Jahren gerade dabei war, aus einen schweren Rückfall wieder rauszukommen, schien es unmöglich für mich, diesen Wunsch sofort in die Tat umzusetzen. Meine Eltern hatten viel zu viel Angst, dass ich dann gar nicht mehr essen könnte, wenn ich vegan wäre, geschweige denn dass ich davon an Gewicht zunehmen würde. Immerhin haben viele pflanzliche Lebensmittel eine geringe Kaloriendichte, es gibt zur Zeit noch relativ wenige vegane Lebensmittel auf dem Markt und das ein oder andere Vitamin fehlt bei dieser Ernährungsweise auch noch. Vor allem sah meine Mutter es als Problem, dass es keine vegane Trinknahrung gibt, die ich dringend brauchen würde zum zunehmen zu der Zeit. Trotzdem konnte ich sie dann dazu überreden, meine Ernährung umstellen zu dürfen. Ich bewies ihnen, dass man bei dieser Ernährung genug Nährstoffe und Kalorien bekommen kann.

Zugegeben, anfangs ging es mit der Zunahme sehr sehr schleppend voran, obwohl ich eine normale Menge gegessen habe. Ob das nun am Veganismus lag oder daran, dass mein Stoffwechsel hoch fuhr, kann ich nicht sagen. Kalorien- und Nährstofftechnisch kann man jedoch sagen, dass man sich da kaum Sorgen machen muss. Wenn man sich gut informiert wird man merken, dass es bei einer veganen Ernährung an nichts mangelt: es gibt viele kaloriendichte Lebensmittel wie Nüsse, Avocados oder Öle, die bei einer Gewichtszunahme helfen können. Ausreichend Proteine zu bekommen ist auch kein Problem: neben Tofu haben Hülsenfrüchte, Nüsse und verschiedene pflanzliche Milchalternativen mehr als genug davon enthalten. Und an Nährstoffen mangelt es bei einer veganen Ernährung nicht - das einzige, worauf man achten muss, ist Vitamin B12. Das ist ein Vitamin, das von Mikroorganismen produziert wird (Mensch und Tier können es in geringen Mengen selbst synthetisieren) und ist daher ausschließlich in tierischen Produkten enthalten. B12-Supplemente erhält man in der Drogerie, Apotheke oder online.

Hier mal eine Liste mit kaloriendichten, veganen Lebensmitteln:
  • Nüsse - Mandeln, Cashewkerne, Walnusskerne, Erdnüsse usw.
  • Avocado - z.B. in Form von Guacamole, auf Toast, als Soße für Nudeln oder als Topping auf Buddha Bowls
  • Aufstriche - Nussmus wie Erdnuss- oder Mandelmus (geht super auf Brot oder auch als Topping auf Müsli, Haferbrei oder als Dressing/Soße), herzhafte Aufstriche
  • Trockenfrüchte - Datteln, getrocknete Aprikosen, getrocknete Pflaumen usw.
  • Kokosmilch aus der Dose oder pflanzliche Sahne - perfekt für Soßen oder Currys
  • Kokosnussjoghurt - hat eine hohe Kaloriendichte
  • Kartoffeln oder Süßkartoffeln - als Brei, in Form von Pommes oder im ganzen gebacken
  • Banane - Grundzutat für Smoothies und passt perfekt zu Müsli & co
  • Öle - Olivenöl, Kokosöl usw.; diese kann man auch in Smottthies untermischen für ein paar mehr Kalorien
  • Smoothies oder Shakes - mit viel pflanzlicher Milch, Bananen, Haferflocken, Nussmus, Chiasamen, ein bisschen Öl kann man sehr nährstoffreiche Getränke kreieren
  • Reis, Pasta und co - bilden die Grundlage für viele Mahlzeiten; Quinoa enthält u.a. sehr viel Eiweiß
  • Haferflocken - ein Allrounder, denn man kann sie als Müsli oder als Brei essen, aber man kann sie auch z.B. in Smoothies untermischen
  • Samen und Kerne - Leinsamen, Chiasamen, Kürbiskerne, Sonnenblumenkerne
  • Müsliriegel, Schokolade, Kekse usw. - perfekt für unterwegs und für zwischendurch 
Körperlich ging es mir mitder veganen Ernährung sehr gut, doch in diesem Aspekt ist jeder anders. Zum Beispiel wurde meine Verdauung so gut wie noch nie zuvor in meinem Leben, was mich total motiviert  und mir ein besseres Körpergefühl gibt. Jedoch berichten viele Menschen auch, dass sie nach der Umstellung vermehrt unter Blähungen leiden, was vor allem in Recovery kontraproduktiv sein kann. Glücklicherweise ist bei mir das Gegenteil der Fall. Ich selbst fühlte mich zudem noch viel kraftvoller, als hätte ich einen großen Energieschub durch den Umstieg bekommen.

Mental geht es mir mit dem Veganismus auch um einiges besser als sonst. Durch diese Ernährung habe ich das Gefühl, dass man mit Essen auch etwas gutes tun kann, denn immerhin profitiert durch den Veganismus sowohl die Umwelt als auch die Tiere und die eigene Gesundheit. Es kommt viel seltener vor, dass ich Essen mit etwas schlechtem verbinde. Meine Depressionen sind um einiges besser geworden - warum, kann ich mir nicht genau erklären. Ob das nun an der Ernährung liegt oder an meiner Einstellung, weiß ich nicht. Deswegen kann man pauschal nicht sagen, ob es jedem Menschen damit auch so gut geht wie mir. Außerdem hat es mich motiviert, neue Lebensmittel und Rezepte auszuprobieren weil ich es unheimlich interessant fand, wie die veganen Versionen bestimmter Gerichte wohl schmecken würden. Meine Einstellung zum Essen wurde so viel besser - ich sah nicht mehr nur die Kalorien in den verschiedenen Lebensmitteln, sondern auch die vielen Mineralien und Nährstoffe, die dem Körper etwas gutes tun.

Ein paar negative Seiten hat der Veganismus meiner Meinung nach schon. Ich zum Beispiel habe oft das Gefühl, ein Label aufgedrückt zu bekommen. Zwar bin ich dadurch jetzt nicht mehr nur die "Kranke" sondern auch die "Veganerin", doch mich belastet das trotzdem, weil ich nicht darüber definiert werden will, was oder wie ich esse. Es werden oft Witze gerissen und man bekommt blöde Kommentare an den Kopf geworfen, womit man lernen muss, klarzukommen. Dann verbietet man sich mit der Ernährung natürlich noch mehr Lebensmittel als man so schon tut durch die Essstörung. Unterwegs etwas zu essen zu bekommen wird schwer und wenn die Familie sich nicht vegan ernährt und einen dabei unterstützt, kann man seltener zusammen kochen und essen. Das kann sowohl die Person in Recovery als auch die Angehörigen belasten. Zu guter letzt war es bei mir noch so, dass ich mich sehr mit gesunder Ernährung befasst habe und dabei zu einer HCLF-Ernährung tendiert bin, weswegen ich ein Problem damit bekommen habe, Fett zu mir zu nehmen, da ich glaubte es würde mich dick machen (was überhaupt nicht der Fall ist, wie ich gerade versuche zu lernen). Die ganze vegane Community befasst sich halt auch sehr mit dem Thema Gesundheit und man wird daher oft mit der High Carb oder Raw till 4 Diät usw. konfrontiert. Das kann einen wieder dazu veranlassen, neue Ängste zu entwickeln und noch mehr Lebensmittel aus der Ernährung auszuschließen. Zwar ist der Veganismus eher nicht der Auslöser für dieses "gesund-Denken", doch ist es meiner Meinung nach unvermeidlich, diesem Thema in den Sozialen Medien aus dem Weg zu gehen, will man sich mit Veganismus befassen.

Bildquelle
Man sollte sich fragen, aus welchen Gründen man vegan werden will. Es kann sein, dass die Essstörung es unbewusst ausnutzt, dass man sich so ernährt und dass man weniger isst. Hör in dich hinein: mache ich das, um Umwelt und Tieren zu helfen, weil ich die Massentierhaltung nicht unterstützen will usw., oder weil ich es nutzen will, um abzunehmen? Wenn man es aus gesundheitlichen Gründen machen will, würde ich ehrlich gesagt damit abwarten, bis man gesund ist. Man kann sich nicht sicher sein, wie einem die vegane Ernährung bekommt und wenn man in Recovery ist, können die positiven Aspekte der Ernährung vielleicht gar nicht zum Vorschein kommen, einfach weil der Körper zu sehr damit beschäftigt ist, Nahrung zu bekommen.

Wenn die Angehörigen, Ärzte und Therapeuten ganz und gar (aus guten Gründen) dagegen sind, dass man sich in Recovery vegan ernährt, dann würde ich da nicht weiter diskutieren und mit dem Veganismus warten, bis man wieder gesund ist. Es lohnt sich nicht, darüber zu diskutieren. Im Moment ist es wichtiger, dass man gesund wird - später kann man all das machen, was man jetzt, solange man krank ist, nicht machen darf. Der Veganismus rennt ja nicht weg sondern wird immer für einen als Möglichkeit vorhanden sein. Das kann auch dazu motivieren, der Essstörung den Kampf anzusagen, wenn man sich als Ziel nimmt, sich vegan zu ernähren sobald man gesund ist.

Das alles war jetzt MEINE Meinung und Erfahrung zum Thema vegan ernähren in Recovery. Für manche mag es funktionieren, für andere wieder nicht. Ich hoffe, der Beitrag konnte dem ein oder anderen helfen.

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